Amerikas neues Geldexperiment – und die zwei Wege, die es gehen kann
In Washington entsteht derzeit ein Projekt, das in seiner Tragweite kaum überschätzt werden kann. Hinter verschlossenen Türen arbeiten Treasury-Secretary Scott Bessent, Fed-Governor Stephen Miran und das Pentagon an einem Experiment, das den Dollar neu definieren könnte – nicht als bloßes Zahlungsmittel, sondern als strategisches Instrument industrieller Macht.
Die Grundidee ist zugleich einfach und revolutionär: Digitale Dollars – Stablecoins, gedeckt durch kurzlaufende US-Staatsanleihen – sollen zu einem Magneten für globales Kapital werden. Milliarden könnten in die USA zurückströmen, die Finanzierungskosten senken und jene Branchen stärken, die seit Jahrzehnten erodieren: Energie, Maschinenbau, Produktion, Infrastruktur.
Geld soll nicht länger nur durch Finanzmärkte rotieren. Es soll wieder durch Fabriken fließen, durch Energieprojekte, durch Lieferketten, durch Verteidigungsindustrie. Das ist kein technisches Experiment – es ist eine geopolitische Strategie.
Und sie führt zu einem historischen Scheidepunkt.
Die zwei möglichen Wege der amerikanischen Zukunft
Die zentrale Frage: Löst dieses neue Geldsystem eine industrielle Erneuerung aus? Oder führt es zu einem Zyklus, in dem Liquidität zwar erzeugt wird, aber keine produktiven Investitionen findet – und sich schließlich wieder in Sicherheit zurückzieht?
Beide Entwicklungen sind realistisch. Beide können parallel auftreten. Doch sie führen zu völlig verschiedenen Kapitalströmen und verlangen unterschiedliche Positionierungen.
Szenario 1: Das Experiment gelingt – die industrielle Renaissance
Im ersten Szenario greifen die Hebel. Kapital fließt in reale Projekte. Fabriken werden gebaut. Energieversorgung wird neu gedacht. Rüstung, Luftfahrt und Infrastruktur werden massiv aufgestockt. Die USA kehren zu einer Form industrieller Macht zurück, die seit den 1970er-Jahren verloren schien.
Profiteure
Industrie & Infrastruktur – der neue Fabrik- und Bau-Zyklus
- XLI (iShares US Industrials ETF) – US-Industrieunternehmen wie General Electric, Honeywell, Caterpillar
- PAVE (Global X US Infrastructure ETF) – Straßen-, Stromnetz- und Bauunternehmen
- ITA (iShares US Aerospace & Defense ETF) – Luft- und Raumfahrt, Rüstungsindustrie (Raytheon, Lockheed Martin)
Energie & Rohstoffe – Versorgungssicherheit als neue Priorität
- XLE (Energy Select Sector SPDR) – große US-Energiekonzerne wie ExxonMobil, Chevron
- GNR (SPDR Global Natural Resources ETF) – globale Rohstoff- und Metallproduzenten
- URA (Global X Uranium ETF) – Unternehmen aus dem Uran- und Nuklearsektor
Digitale Finanz-Infrastruktur – die „Plumbing“ hinter den Stablecoins
- XLF (Financial Select Sector SPDR) – US-Banken & Finanzdienstleister
- BKCH (Global X Blockchain ETF) – Blockchain-Dienstleister
- COIN (Coinbase Global Inc.) – Handelsplattform für digitale Vermögenswerte
In dieser Welt gewinnen reale Assets. Materielle Wertschöpfung rückt ins Zentrum der Märkte: Energie, Industrie, Verteidigung, Infrastruktur.
Szenario 2: Kapital zieht sich zurück – der Sicherheitsmodus
Im zweiten Szenario gelingt die Renaissance nicht. Re-Shoring wird teurer als gedacht. KI-Investitionen liefern keine Erträge. Finanzierungskanäle versiegen. Kapital sucht wieder das Altbekannte: Sicherheit, Cashflows, Stabilität.
Profiteure
Gesundheitswesen – stabile Nachfrage, unabhängig vom Zyklus
- XLV (Health Care Select Sector SPDR) – US-Gesundheits- und Pharmaunternehmen wie Johnson & Johnson, Pfizer, UnitedHealth
- VHT (Vanguard Health Care ETF) – breit gestreuter globaler Gesundheitsfonds
Basiskonsum & Markenprodukte – verlässliche Gewinne in jeder Lage
- XLP (Consumer Staples Select Sector SPDR) – US-Konsumgüterriesen
- KXI (iShares Global Consumer Staples ETF) – globale Marken wie Procter & Gamble, Coca-Cola, PepsiCo und Unilever
Versorger & Infrastruktur-Yield – planbare Dividenden, wenig Schwankung
- XLU (Utilities Select Sector SPDR) – US-Strom- und Wasserversorger
- IGF (iShares Global Infrastructure ETF) – weltweite Betreiber von Energie- und Transportnetzen
Quality / Low Volatility Faktor – solide Bilanzen, stetige Cashflows
- QUAL (iShares USA Quality ETF),
- VIG (Vanguard Dividend Appreciation ETF)
- DGRO (iShares Dividend Growth ETF)
In dieser Welt wird Wachstum zweitrangig. Der Fokus verschiebt sich auf: Stabilität, Markenstärke, planbare Ausschüttungen.
Was hier wirklich auf dem Spiel steht
Dieses Projekt von Miran, Bessent und dem Pentagon ist nicht bloß ein Eingriff in die Geldpolitik. Es ist der Versuch, drei Dinge zu synchronisieren:
- wirtschaftliche Macht
- technologische Infrastruktur
- industrielle Produktion
Alles gebündelt im Nervensystem des globalen Finanzsystems: dem Dollar. Es ist ein Spiel auf Zeit, auf Vertrauen und auf geopolitische Strukturen. Und es ist offen, wie es ausgeht. Wahrscheinlich erleben wir – wie so oft in Übergangszeiten – eine Überlagerung: Phasen starker Investition, unterbrochen von Perioden defensiver Liquidität.
Weiter sehen als man denken kann
Wer heute Vermögen strukturiert – muss zwei Welten gleichzeitig abbilden:
1. Ein Anteil für produktive, reale Sektoren
Industrie, Energie, Rohstoffe, Verteidigung, Infrastruktur, digitale Finanz-Infrastruktur.
2. Ein Anteil für defensive Stabilität
Gesundheit, Konsum, Versorger, Qualitätstitel, Cashflow-Träger.
Das Entscheidende ist die Fähigkeit, zwischen beiden Modi zu wechseln – oder beide gleichzeitig zu halten, ohne sich festzulegen, bevor der Trend klar ist.
Denn dieses Experiment ist ein Wendepunkt. Die Frage ist nicht, ob Kapitalströme sich verändern. Die Frage ist, in welche Richtung – und wann.
Die in diesem Artikel dargestellten Inhalte dienen ausschließlich Informationszwecken und stellen keine Anlageberatung, kein Angebot oder eine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar. Trotz sorgfältiger Recherche übernimmt der Autor bzw. Herausgeber keine Gewähr für die Aktualität, Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben. Wertentwicklungen in der Vergangenheit sind kein verlässlicher Indikator für die Zukunft. Jede Form der Investition birgt Risiken, unter anderem das Risiko eines vollständigen Kapitalverlustes. Bevor Sie Anlageentscheidungen treffen, sollten Sie Ihre individuelle Situation analysieren, ggf. unabhängigen professionellen Rat einholen.
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